Licht & Schatten von Brigitte Courté
„Glas mit Pinsel“ Pastell 50 x 65 cm
"Straße nach Volterra" - Varition Sepia; Pastell 30 x 30cm
Einführung
Die Gesellschaft und unser persönliches Umfeld beeinflussen unser Sehen. Die Sichtweise bestimmter Kulturen sind für die Wahrnehmung bzw. deren Reflektionen und Symbole zuständig. Unsere Kultur hat ihren Ursprung in der griechischen Antike und wurde in der Renaissance wiederentdeckt. Unser Interesse gilt dem Realismus, einer Kunst, die Räumlichkeit beschreibt, an anatomischen Formen und die Wirkung von Zeit, Jahreszeit und Witterung festhalten will. Deshalb sind Maler der westlichen Kulturkreise um das Licht im Bild bemüht, die diese spezifischen Phänomene möglichst naturgetreu buchstäbliche ins rechte Licht rückt.
Caravaggio "The Incredulity of Saint Thomas" 1601-02;
Oil on Canvas, 42 1/8 x 57 1/2 in; Neues Palais, Potsdam
Caravaggio galt schon zu seinen Lebzeiten als der Maler des Lichts.
Doch was ist Licht und was ist Schatten? Die meisten Menschen nehmen die Schatten bzw. das Licht nicht richtig war. Wieso? Es fehlt das genaue „Sehen“ bzw. Beobachten. Wir werden mit so vielen Reizen der modernen Welt überflutet, dass man die „einfachsten“ Dinge übersieht und die Abstufungen vom Licht hin zum Dunklen kaum wahrnimmt. Es gibt ein Sprichwort: "Wo Licht ist, ist auch Schatten", d.h. auf die Malerei bezogen, dass das Licht nicht ohne den Schatten existieren kann. Dies sollte man sich immer vor Augen halten.
Was bewirkt Licht?
Licht erzeugt Räumlichkeit. Ohne Licht wäre alles platt und flach. Helligkeiten (= Licht) in unseren Bildern täuscht dem Betrachter also eine Räumlichkeit vor, die auf dem zwei dimensionalen Papier/Leinwand nicht existiert. Um eine gute Wirkung zu erreichen sollte man mit starken Kontrastverhältnis arbeiten, d.h. helles, strahlendes Licht zu dunklem Schatten.
Wie man an Hand des hier gezeigten Beispiels sieht, reicht wenig weiße Farbe aus, um eine Plastizität zu erreichen. Die Wirkung kommt dadurch zustande, dass die Körper sehr dunkel gehalten sind (Silhouetten) und die hervorstechenden Merkmale durch ein strahlendes Weiß angedeutet werden (Hell-Dunkel-Kontrast). Das Auge setzt dann im Kopf den Rest zusammen und wir erkennen ein runden Becher und einen bauchigen Krug. Dies sehen wir zwar auch in den Silhouetten, denn unser Gehirn hat schon früher die Information über einen Becher und einem Krug gespeichert, doch das räumlich Sehen wird erst durch die weiße Kontur möglich. (Buchtipp: Betty Edwards "Garantiert Zeichnen lernen". Dort wird von der Autorin sehr ausführlich das Sehen und was unser Gehirn daraus macht beschrieben.)
Beispiel nachgemalt aus dem Buch Burne Hogarth „Licht- und Schattenzeichnen leichtgemacht“
Tonwerte
Jetzt wollen wir ja nicht wie die schwarz/weiß Comiczeichner arbeiten, also muss man mit den Kontrastverhältnissen spielen und da kommen die Tonwerte einer Farbe ins Spiel. Grundlegend für die Licht- und Schattenmalerei ist die Beherrschung der Tonwerte. Man sollte wenigstens einmal eine Tonwertskala mit einer Farbe (beispielsweise Schwarz) in 8 Schritten anlegen, um zu merken, wie schwer bzw. sensibel die Abstufung ist: 8 ist der dunkelste und 1 der hellste Ton.
Darum kann ich jedem nur empfehlen, die gezeigte Übung auszuprobieren. Bei Rot und Gelb wird für die Dunkelheit Schwarz dem Grundton beigemischt und für die Abstufung zum hellen Ton wird dem Grundton immer mehr Weiß hinzugefügt.
Tonwerte beschreiben auch die verschiedene Helligkeits- bzw. Dunkelheitswerte eines Motives. Wenn man sich nicht sicher ist, wie die Abstufungen einer Motivvorlage ist, empfehle ich davon eine Schwarz/Weiß-Kopie zu machen. An Hand der Kopie erkennt man, ohne sich auf die Farben zu konzentrieren, welche Grauwerte zu Grunde liegen. Wir benötigen diese Abstufungen, um einen Räumlichkeit auf einem Objekt und/oder einer Fläche zu erzeugen. Diese bestehen nicht aus Weiß und Schwarz, sondern aus vielen Zwischentönen, die für das Auge eine täuschend ähnliche Räumlichkeit und Plastizität erzeugen.
Wir unterscheiden zwischen
a) Körpereigene Tonwerte:
Diese verleihen einem Gegenstand eine Dreidimensionalität.
Wird eine Kugel nur in Hell/Weiß oder Dunkel/Schwarz angelegt, so sehen wir nur einen ausgemalten Kreis. Werden nun Abstufungen angelegt (siehe 3. Bild von links), dann entsteht plötzlich eine Plastizität und aus dem Kreis wird für das Auge eine Kugel.
b) Tonwerte in der Fläche (Landschaft etc.)
Diese können dem Bild eine Tiefe und Räumlichkeit geben. Starke Licht- und Schattenkontraste verleihen dem Bild eine Lebendigkeit und Realität.
Tipp: Um zu testen ob sein Bild die richtige Wirkung – Plastizität hat, kann man es in Schwarz/Weiß fotografieren (die meisten Digitalkameras können das). Sofort sieht man, wo gegebenenfalls Dunkel- oder Helligkeiten fehlen.
Eine weitere gute Übung ist ein Bild mit nur einer Farbe zu malen. Der Untergrund sollte dann recht dunkel sein. Hier wurde nur mit weißer Kreide gearbeitet. Die Tonwertabstufung erfolgt mittels Knetgummi d.h. die hellsten Stellen wurden mit mehreren Schichten weißer Kreide angelegt und die etwas dunkleren Stellen wurden mit etwas weniger Schichten angelegt und waren diese dann zu hell, wurde mit dem Knetgummi die Farbe abgemildert. Die richtigen dunkleren Schatten ist der Papierton.
Tonwert - Übungsbeispiel
Zuerst wird eine Skizze übertragen und dann wird im Hintergrund die hellsten Stellen angelegt und weich abgestuft (1.Bild). Dann legt man die hellsten Stellen am linken Engelskopf an und verwischt sie in die Richtung der dunkelsten.
So wird automatisch eine Abstufung erreicht. Diese Schritte werden so lange wiederholt, bis das Resultat stimmt. Es ist eine Art von modellieren.
Beim rechten Engel habe ich am ganzen Körper zuerst die hellsten Stellen angelegt (siehe. Bild rechts) und sofort hat man schon eine Plastizität Auch hier wird dieser Schritt so oft wiederholt bis die Figur fertig heraus gearbeitet ist. Hierbei können sowohl die Finger, der Knetgummi und/oder der Gummipinsel helfen. Wenn Stellen zu hell geworden sind, nimmt man diese wieder mit dem Knetgummi wieder weg bzw. mildert diese ab.
So moduliert man nun immer weiter, ggfs. entfernt man wieder Stellen und korrigiert diese. Diese Art von Arbeiten trainiert das „genaue“ Sehen von der Abstufungen von Licht und Schatten.
Wieviel Licht und Schatten setzt man ein?
Als Faustregel kann man sagen – immer übertreiben: Sehr Hell (Weiß) im direkten Kontrast zu sehr Dunkel (bitte kein Schwarz), dann stimmt es meistens. Man neigt dazu, viel zu zaghaft den Kontrast zu setzen. Im Aquarell z.B. wird mit den Schatten das Licht gemalt, d.h. steht ein helles Haus vor einem dunklen Wald, malt man zuerst den Wald und spart dabei das Haus aus. Das weiße Aquarellpapier wird dann richtig hell erstrahlen, wenn der Wald mit einem sehr dunkeln Grün gemalt wird. Bei Öl, Acryl und auch bei Pastell kann bzw. sollte man das Licht zu letzt setzen. Bei Pastell hat man u.a. den Vorteil schon dunkelstes Papier als Schatten zu verwenden und die helleren Farben darauf zu setzen. Somit hat man sofort eine Plastizität und braucht sich nur noch um die Abstufungen zu kümmern.
An Hand des unten gezeigten Beispiels kann man erkennen, wie sich das zaghafte setzen von Hell- und Dunkel auswirken kann. Links scheint keine Sonne und rechts „badet“ das Haus geradezu im Licht.
Diese Version hat zu wenig Licht und die Dunkelheit dominiert. Somit wirkt das Ganze nicht wie von der Sonne beschieden und sehr trist.
Da, wo die Sonne drauf scheint, wurde mit sehr heller Kreide gearbeitet, zum Schluss sogar Weiß auf dem Dachbereich und am Boden. Durch diesen starken Hell-Dunkel-Kontrast leuchtet das Bild.
Welche Farben eignen sich zum Licht bzw. Schatten malen?
Alle hellen und reinen Farben sind für das Licht = Sonnenschein geeignet. Egal ob nun Blau, Rot, Orange etc. – sie müssen nur rein, also nicht mit der gegenüberliegenden Farbe des Farbkreises gemischt sein und sie müssen sehr Hell sein. Man setzt auch kein reines Weiß als Licht, sondern mischt entweder ein kaltes Gelb oder Orange mit hinein – aber nur ein Hauch. Im Umkehrschluss eignen sich zum Schatten dunkle und gebrochene Farben. Denn so erreicht man auch noch einen Komplementärkontrast im Bild – nicht nur ein Hell-/Dunkelkontrast.
Hier im Bild herrscht sowohl ein starker Hell-/Dunkelkontrast wie auch der Komplementär-kontrast orange Dächer zum blauen Himmel, welches die Dachkonstruktionen unterstreicht aber auch das Licht leuchten lässt. Da die Schatten der Dächer ein wenig Rot beinhalten kommt auch das Grün der Bäume wie auch der Fensterläden im Lichtbereich zum Strahlen. Die Fensterläden im Schatten wurden mit Grün und Rot abgedämpft. Ganz vorne im Bild kommt das blaufarbene Pastellpapier zum Vorschein.
Nun will man ja nicht immer Landschaften bei tollstem Sonnenschein malen, aber die oben genannten Vorgaben gelten auch bei gedämpften Lichtverhältnissen, nur halt schwächer, vor allem ist der Hell-/Dunkelkontrast sehr schwach. Während man bei sonnen-beschienenen Motiven mit den Abstufungen 7 oder sogar 8 (ganz dunkel) und 1 (sehr hell) bzw. 2 oder 3 arbeitet, wird bei weniger Sonnenschein nur die mittleren Tonwerte verwendet.
Mittagszeit in Bormes le Mimosas, Pastell 40 x 30 cm
Blick vom „Rock of Cashel“, Pastell 30 x30 cm
Bei dem Bild “Blick von Rock of Cashel” wurde fast ausschließlich mittlere Tonwerte der Farben benutzt. Somit wirkt das Bild etwas düsterer und mystischer, was aber so auch gewünscht ist. Es zogen dunkle Gewitterwolken über das Land (wenig später hat es wirklich Cats and Dogs geregnet) und doch schien teilweise die Sonne. Das sah fantastisch aus.
Das heißt somit für uns Maler, dass wir erst die Tonwerte, Hell-/Dunkel- wie auch den Komplementärkontrast verinnerlicht haben muss, um dann damit zu „spielen“.
ALSO ÜBEN, ÜBEN und nochmals ÜBEN.
Es ist noch kein Meister
vom Himmel gefallen ☺.